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Unten Bleiben - Berliner Piraten legen Stoff für einen großen Krimi vor!

Datum: Mittwoch, der 29. Januar 2014 @ 22:52:02 Thema: Deutsche Politik Infos

OpenPr.de: In "Unten Bleiben", einem Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER, dessen Inhalt hier in Auszügen vorgesetllt wird, widmen sich Martin Delius und Benedict Ugarte Chacón hauptsächlich der Vorgeschichte des BER.

Dabei wird schnell ersichtlich, wie wichtig die Untersuchung der frühen Phase des Projekts ist, um seinen gegenwärtigen Zustand verstehen und bewerten zu können.

Zum einen ziehen sich die strukturellen Probleme durch verwirrende Verstrickungen, Verantwortungslosigkeit und Einflussnahmen wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte des Flughafens.

Was bisher über den Skandal um explodierende Kosten und verschobene Eröffnungstermine bekannt ist, sieht so nach einer Wiederholung alter Muster aus.

Zum anderen liegen mehrere Gründe für den derzeitigen Zustand des Flughafenbaus in seiner frühen Geschichte seit Anfang der 90er Jahre. Die Vorgänge um Standortauswahl, Grundstücksankäufe, Privatisierung und Planfeststellung zeigen, mit welchen Altlasten das Projekt beschwert ist.

Standort:

Am 28. Mai 1996 veröffentlichten die Beteiligten an der Flughafengesellschaft (Berlin, Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland) einen Konsensbeschluss, der sich auf den Flughafenstandort Schönefeld festlegt und in dem auch die Absicht zu einer Privatisierung enthalten ist.

Mit diesem Beschluss war die Entscheidung für den Standort des neuen Flughafens gefallen. Parallel zum Privatisierungsverfahren sollten im Verbund mit externen Unternehmen vorbereitende Planungsarbeiten beginnen und ein Planfeststellungsverfahren für den Standort Schönefeld durchgeführt werden.

Allerdings: Bereits früheste Untersuchungen Anfang der 90er Jahre und das Brandenburger Raumordnungsverfahren 1994 stuften Schönefeld als ungeeigneten Standort ein, der dann auch zunächst nicht mehr in Erwägung gezogen wurde. Präferiert wurden der ehemalige sowjetische Militärflughafen Sperenberg und der Standort Jüterbog-Ost.

Noch Anfang 1996 erklärte eine Studie der Deutschen Bank Schönefeld für ungeeignet und benannte als hauptsächliche Probleme die Lärmbelästigung der Bevölkerung und die schwierige Verkehrsanbindung. Für die gemeinsame Landesplanungsbehörde von Berlin und Brandenburg sprach nach einer internen Studie Anfang 1996 ebenfalls fast alles gegen Schönefeld.

Was geschah in der Zwischenzeit und wie verlief der Entscheidungsprozess, dessen Ergebnis die Festlegung auf den Standort Schönefeld im Mai 1996 war, obwohl die Argumente gegen Schönefeld nie ausgeräumt wurden?

Zu den Fragen um die Standortbestimmung liegen dem Untersuchungsausschuss BER mehrere Meter Aktenmaterial vor, in dem unter anderem das heftige Ringen um die Entscheidung im Vorfeld des Konsensbeschlusses dokumentiert ist.

Brandenburg präferierte Sperenberg, der Bund wiederum Schönefeld. Allerdings hielt der Bund, vielleicht beeinflusst durch die Lufthansa, einen weiteren Umsteigeflughafen neben Frankfurt/Main und München für unnötig. Innerhalb der Berliner Politik war die Standortfrage ebenso umstritten, auch in der Großen Koalition.

Der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD Klaus Böger gab nach einer Klausurtagung Ende Januar 1995 ein klares Votum für Sperenberg ab, die CDU hatte von Beginn an eine Präferenz für Schönefeld. Bündnis90/Die Grünen präferierten ebenfalls Schönefeld, waren allerdings gegen einen Ausbau zum Großflughafen, weil sie den prognostizierten Anstieg der Passagierzahlen für unrealistisch hielten.

Auch innerhalb des Berliner Senats gab es widersprüchliche Haltungen. So wird im Mai 1995 in einem Vermerk der Senatskanzlei Schönefeld als einzig sinnvoller Standort genannt. In diesem Vermerk wird auch auf die finanziellen Risiken des Projekts hingewiesen und ein schrittweiser, bedarfsabhängiger Ausbau Schönefelds empfohlen.

Ein anderer Vermerk zu einem Treffen zwischen Ministerpräsident Manfred Stolpe und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen eine Woche später hält aber eine Einigung auf die Errichtung eines internationalen Flughafens in Sperenberg fest. Als spätere Erklärung für das Umschwenken wurde das Scheitern der Fusion zwischen Brandenburg und Berlin genannt.

Eines der wohl wichtigsten Treffen zur Standortentscheidung war jedenfalls eine Zusammenkunft von Stolpe, Diepgen und dem damaligen Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann am 02. Juni 1995, über die es keine Dokumentation gibt, auf die aber sogar der damalige BundeskanzlerHelmut Kohleingewirkt haben soll.

Interessant bei der Vorbereitung des Konsensbeschlusses ist ein Mann, dessen Name im Skandal um die gescheiterte Flughafen-Privatisierung wieder auftauchen wird: Herbert Märtin.

Er soll als „Moderator“ den Konsensbeschluß herbeigeführt haben und war an seiner Formulierung beteiligt. Uneinig sind sich mehrere Beteiligte, auf wessen Empfehlung oder wessen Betreiben Märtin eigentlich mit der Angelegenheit befasst wurde. Die Entscheidung für Schönefeld ist wohl maßgeblich auf die Tätigkeit Märtins zurückzuführen, der das selbst allerdings bestreitet.

Der Prozess, der am Ende zur Entscheidung für den Standort Schönefeld geführt hat, ist schwierig nachzuvollziehen und noch nicht vollständig aufgearbeitet.

Es lässt sich aber sagen, dass verschiedene auch sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben und dass die Standortentscheidung eine der Festlegungen gewesen ist, die im späteren Verlauf zu Skandalen und der derzeitigen Krise geführt haben.

Mehr Infos und Download des als Buch veröffentlichen Zwischenberichts hier: peira.org/

Kontakt:
Peira - Gesellschaft für politisches Wagnis e. V.
Rainer Thiem
Bundesallee 119
12161 Berlin
Internet: www.peira.org

Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V. wurde im Februar 2013 ins Berliner ins Vereinsregister eingetragen. Das generelle Ziel des Vereins ist, neben der Förderung der politischen Bildung einen parteiübergreifenden Dialog zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu initiieren, um neues Denken und Handeln in den zentralen gesellschaftspolitischen Feldern zu fördern.

Ein Beitrag von Martin Delius für Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V.

Zitiert aus: von Harald Hildebrandt, Autor siehe obiger Artikel.


OpenPr.de: In "Unten Bleiben", einem Zwischenbericht der Piratenfraktion zum Untersuchungsausschuss BER, dessen Inhalt hier in Auszügen vorgesetllt wird, widmen sich Martin Delius und Benedict Ugarte Chacón hauptsächlich der Vorgeschichte des BER.

Dabei wird schnell ersichtlich, wie wichtig die Untersuchung der frühen Phase des Projekts ist, um seinen gegenwärtigen Zustand verstehen und bewerten zu können.

Zum einen ziehen sich die strukturellen Probleme durch verwirrende Verstrickungen, Verantwortungslosigkeit und Einflussnahmen wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte des Flughafens.

Was bisher über den Skandal um explodierende Kosten und verschobene Eröffnungstermine bekannt ist, sieht so nach einer Wiederholung alter Muster aus.

Zum anderen liegen mehrere Gründe für den derzeitigen Zustand des Flughafenbaus in seiner frühen Geschichte seit Anfang der 90er Jahre. Die Vorgänge um Standortauswahl, Grundstücksankäufe, Privatisierung und Planfeststellung zeigen, mit welchen Altlasten das Projekt beschwert ist.

Standort:

Am 28. Mai 1996 veröffentlichten die Beteiligten an der Flughafengesellschaft (Berlin, Brandenburg und die Bundesrepublik Deutschland) einen Konsensbeschluss, der sich auf den Flughafenstandort Schönefeld festlegt und in dem auch die Absicht zu einer Privatisierung enthalten ist.

Mit diesem Beschluss war die Entscheidung für den Standort des neuen Flughafens gefallen. Parallel zum Privatisierungsverfahren sollten im Verbund mit externen Unternehmen vorbereitende Planungsarbeiten beginnen und ein Planfeststellungsverfahren für den Standort Schönefeld durchgeführt werden.

Allerdings: Bereits früheste Untersuchungen Anfang der 90er Jahre und das Brandenburger Raumordnungsverfahren 1994 stuften Schönefeld als ungeeigneten Standort ein, der dann auch zunächst nicht mehr in Erwägung gezogen wurde. Präferiert wurden der ehemalige sowjetische Militärflughafen Sperenberg und der Standort Jüterbog-Ost.

Noch Anfang 1996 erklärte eine Studie der Deutschen Bank Schönefeld für ungeeignet und benannte als hauptsächliche Probleme die Lärmbelästigung der Bevölkerung und die schwierige Verkehrsanbindung. Für die gemeinsame Landesplanungsbehörde von Berlin und Brandenburg sprach nach einer internen Studie Anfang 1996 ebenfalls fast alles gegen Schönefeld.

Was geschah in der Zwischenzeit und wie verlief der Entscheidungsprozess, dessen Ergebnis die Festlegung auf den Standort Schönefeld im Mai 1996 war, obwohl die Argumente gegen Schönefeld nie ausgeräumt wurden?

Zu den Fragen um die Standortbestimmung liegen dem Untersuchungsausschuss BER mehrere Meter Aktenmaterial vor, in dem unter anderem das heftige Ringen um die Entscheidung im Vorfeld des Konsensbeschlusses dokumentiert ist.

Brandenburg präferierte Sperenberg, der Bund wiederum Schönefeld. Allerdings hielt der Bund, vielleicht beeinflusst durch die Lufthansa, einen weiteren Umsteigeflughafen neben Frankfurt/Main und München für unnötig. Innerhalb der Berliner Politik war die Standortfrage ebenso umstritten, auch in der Großen Koalition.

Der damalige Fraktionsvorsitzende der SPD Klaus Böger gab nach einer Klausurtagung Ende Januar 1995 ein klares Votum für Sperenberg ab, die CDU hatte von Beginn an eine Präferenz für Schönefeld. Bündnis90/Die Grünen präferierten ebenfalls Schönefeld, waren allerdings gegen einen Ausbau zum Großflughafen, weil sie den prognostizierten Anstieg der Passagierzahlen für unrealistisch hielten.

Auch innerhalb des Berliner Senats gab es widersprüchliche Haltungen. So wird im Mai 1995 in einem Vermerk der Senatskanzlei Schönefeld als einzig sinnvoller Standort genannt. In diesem Vermerk wird auch auf die finanziellen Risiken des Projekts hingewiesen und ein schrittweiser, bedarfsabhängiger Ausbau Schönefelds empfohlen.

Ein anderer Vermerk zu einem Treffen zwischen Ministerpräsident Manfred Stolpe und dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen eine Woche später hält aber eine Einigung auf die Errichtung eines internationalen Flughafens in Sperenberg fest. Als spätere Erklärung für das Umschwenken wurde das Scheitern der Fusion zwischen Brandenburg und Berlin genannt.

Eines der wohl wichtigsten Treffen zur Standortentscheidung war jedenfalls eine Zusammenkunft von Stolpe, Diepgen und dem damaligen Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann am 02. Juni 1995, über die es keine Dokumentation gibt, auf die aber sogar der damalige BundeskanzlerHelmut Kohleingewirkt haben soll.

Interessant bei der Vorbereitung des Konsensbeschlusses ist ein Mann, dessen Name im Skandal um die gescheiterte Flughafen-Privatisierung wieder auftauchen wird: Herbert Märtin.

Er soll als „Moderator“ den Konsensbeschluß herbeigeführt haben und war an seiner Formulierung beteiligt. Uneinig sind sich mehrere Beteiligte, auf wessen Empfehlung oder wessen Betreiben Märtin eigentlich mit der Angelegenheit befasst wurde. Die Entscheidung für Schönefeld ist wohl maßgeblich auf die Tätigkeit Märtins zurückzuführen, der das selbst allerdings bestreitet.

Der Prozess, der am Ende zur Entscheidung für den Standort Schönefeld geführt hat, ist schwierig nachzuvollziehen und noch nicht vollständig aufgearbeitet.

Es lässt sich aber sagen, dass verschiedene auch sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben und dass die Standortentscheidung eine der Festlegungen gewesen ist, die im späteren Verlauf zu Skandalen und der derzeitigen Krise geführt haben.

Mehr Infos und Download des als Buch veröffentlichen Zwischenberichts hier: peira.org/

Kontakt:
Peira - Gesellschaft für politisches Wagnis e. V.
Rainer Thiem
Bundesallee 119
12161 Berlin
Internet: www.peira.org

Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V. wurde im Februar 2013 ins Berliner ins Vereinsregister eingetragen. Das generelle Ziel des Vereins ist, neben der Förderung der politischen Bildung einen parteiübergreifenden Dialog zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu initiieren, um neues Denken und Handeln in den zentralen gesellschaftspolitischen Feldern zu fördern.

Ein Beitrag von Martin Delius für Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V.

Zitiert aus: von Harald Hildebrandt, Autor siehe obiger Artikel.






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