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Brief an alle, die von ihren Kindern geliebt werden wollen

Datum: Freitag, der 31. Mai 2013 @ 11:29:24 Thema: Deutsche Politik Infos

Mühlhäuser Brief, 31.05.2013
Brief an alle, die von ihren Kindern geliebt werden wollen

Tagesschau.de: Ab 1. August haben Eltern einen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze für Kinder unter drei. Rund 100.000 Plätze fehlen noch - und die Kommunen wollen diese Lücke wegen drohender Klagen unbedingt schließen. Das geht offenbar vielerorts zu Lasten der Qualität.
Mehr als zehn Jahre lang war es ihr Traumberuf: Erzieherin. Am Ende leitete Sabine Mahn* sogar mehrere Kindertagesstätten, doch vor Kurzem gab sie auf und kündigte. Die Personalnot, immer größer werdende Gruppen, ständig neue Verwaltungsarbeiten - kindgerechtes Arbeiten sei oft nicht mehr möglich, berichtet sie im Gespräch mit tagesschau.de. "Ich habe mich oft gefragt: Wo bleibt die Menschlichkeit?"
Das jüngste Kind, das von Mahns Team versorgt wurde, war gerade einmal fünf Monate alt. "Eine Erzieherin hat es den ganzen Tag getragen und nebenher noch andere Unter-Drei-Jährige betreut", erinnert sie sich. "Wenn dann drei weitere Kinder auf einmal anfangen zu weinen, dann kann man der Situation nicht mehr gerecht werden." Von anderen Kita-Leitungen habe sie oft gehört: "Wir haben keine Kapazitäten, uns darum richtig zu kümmern. Dann schreien die halt am ersten Tag zwei Stunden." Doch das sei mit ihrem Berufsverständnis unvereinbar gewesen.
Ein Mensch wird als nackter Säugling geboren, unfähig selbständig essen, sich fortbewegen, sprechen oder denken zu können. Zwar veranlagt und begabt, sich selbst und die Welt zu begreifen, ist er zunächst fast ausschließlich körperlich vorhanden und das auch noch weit unvollkommener als später nach unermüdlich erfolgendem Stoff- und Energiewechsel. Langsam aber stetig wird er sich dabei dank motorischer beziehungsweise sensibler Nervenbahnen und eines mitwachsenden Zentralnervensystems seines Selbst bewusst. Eltern, Erzieher, das notwendige gesellschaftliche Mit-, Für- und Gegeneinander und das Naturgeschehen um ihn helfen dabei oder können auch stören.
Nossrat Peseschkin setzt in der Erziehung ein positives Menschenbild voraus, wenn er schreibt: „Die Prinzipien der Erziehung waren von jeher von den Vorstellungen des Menschenbildes abhängig, das in dem entsprechenden Zeitalter Gültigkeit besaß. In dieses Menschenbild fließen die Erfahrungen ein, die man mit Eltern und Mitmenschen macht, ebenso wie die Erfahrungen, die aus der Tradition übernommen werden und die von den gesellschaftlichen und den religiös - weltanschaulichen Wertvorstellungen abhängig sind.“ Seinem Konzept der positiven Psychotherapie liege die Auffassung zugrunde, dass jeder Mensch zwei Grundfähigkeiten besitze, „die Erkenntnisfähigkeit und die Liebesfähigkeit“. Und der Neurologe und Psychiater iranischer Herkunft stellt dazu fest: „Beide gehören zum Wesen eines jeden Menschen und werden abhängig von den Bedingungen seines Körpers (biologische Faktoren), seiner Umwelt (soziale Dimension) und dem Zeitgeist (weltanschauliche Dimension) entwickelt. Unverwechselbare Muster von Wesenszügen und Verhaltensweisen prägen je nach Differenzierung dieser Grundfähigkeiten die jeweilige Persönlichkeit. Aus diesen beiden Grundfähigkeiten entfalten sich im Laufe der Entwicklung alle anderen Fähigkeiten.“ Die Liebesfähigkeit sei der Bereich der Emotionalität, der Gefühle und Triebe. Als Ausdruck der zwischenmenschlichen Beziehungen umfasse er die Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden. „Mit Hilfe der Erkenntnisfähigkeit strukturieren wir unsere Erlebnisse“, bemerkt Peseschkin weiter, „wir stellen Fragen, suchen Antworten und sind in der Lage zu lernen und Erfahrungen weiter zu geben. Während die Religionen den Anspruch erheben, Sinn zu geben (Sinngebung), und auch Verbindlichkeiten dafür fordern, kommt der Wissenschaft in ihrer weitesten Bedeutung die Aufgabe zu, diesen Sinn zu finden (Sinnfindung).“ Aus der Liebesfähigkeit entwickelten sich die „primären Fähigkeiten“ und aus der Erkenntnisfähigkeit die „sekundären Fähigkeiten“. Die primären und die sekundären Fähigkeiten bezeichne man als die „Aktualfähigkeiten“.
Bertold Brecht beantwortete die Frage, wo denn die Menschlichkeit liege in einer Zeit, da es noch keine soziale Marktwirtschaft gab, auf seine Art: „Auf die Erde voller kaltem Wind kamt ihr alle als ein nacktes Kind. Frierend lagt ihr ohne alle Hab als ein Weib euch eine Windel gab. Keiner schrieb euch, ihr wart nicht begehrt und man holte euch nicht im Gefährt. Hier auf Erden ward ihr unbekannt als ein Mann euch einst nahm an die Hand. Von der Erde voller kaltem Wind geht ihr all bedeckt mit Schorf und Grind. Fast ein jeder hat die Welt geliebt wenn man ihm zwei Hände Erde gibt."


Mühlhäuser Brief, 31.05.2013
Brief an alle, die von ihren Kindern geliebt werden wollen

Tagesschau.de: Ab 1. August haben Eltern einen Rechtsanspruch auf Betreuungsplätze für Kinder unter drei. Rund 100.000 Plätze fehlen noch - und die Kommunen wollen diese Lücke wegen drohender Klagen unbedingt schließen. Das geht offenbar vielerorts zu Lasten der Qualität.
Mehr als zehn Jahre lang war es ihr Traumberuf: Erzieherin. Am Ende leitete Sabine Mahn* sogar mehrere Kindertagesstätten, doch vor Kurzem gab sie auf und kündigte. Die Personalnot, immer größer werdende Gruppen, ständig neue Verwaltungsarbeiten - kindgerechtes Arbeiten sei oft nicht mehr möglich, berichtet sie im Gespräch mit tagesschau.de. "Ich habe mich oft gefragt: Wo bleibt die Menschlichkeit?"
Das jüngste Kind, das von Mahns Team versorgt wurde, war gerade einmal fünf Monate alt. "Eine Erzieherin hat es den ganzen Tag getragen und nebenher noch andere Unter-Drei-Jährige betreut", erinnert sie sich. "Wenn dann drei weitere Kinder auf einmal anfangen zu weinen, dann kann man der Situation nicht mehr gerecht werden." Von anderen Kita-Leitungen habe sie oft gehört: "Wir haben keine Kapazitäten, uns darum richtig zu kümmern. Dann schreien die halt am ersten Tag zwei Stunden." Doch das sei mit ihrem Berufsverständnis unvereinbar gewesen.
Ein Mensch wird als nackter Säugling geboren, unfähig selbständig essen, sich fortbewegen, sprechen oder denken zu können. Zwar veranlagt und begabt, sich selbst und die Welt zu begreifen, ist er zunächst fast ausschließlich körperlich vorhanden und das auch noch weit unvollkommener als später nach unermüdlich erfolgendem Stoff- und Energiewechsel. Langsam aber stetig wird er sich dabei dank motorischer beziehungsweise sensibler Nervenbahnen und eines mitwachsenden Zentralnervensystems seines Selbst bewusst. Eltern, Erzieher, das notwendige gesellschaftliche Mit-, Für- und Gegeneinander und das Naturgeschehen um ihn helfen dabei oder können auch stören.
Nossrat Peseschkin setzt in der Erziehung ein positives Menschenbild voraus, wenn er schreibt: „Die Prinzipien der Erziehung waren von jeher von den Vorstellungen des Menschenbildes abhängig, das in dem entsprechenden Zeitalter Gültigkeit besaß. In dieses Menschenbild fließen die Erfahrungen ein, die man mit Eltern und Mitmenschen macht, ebenso wie die Erfahrungen, die aus der Tradition übernommen werden und die von den gesellschaftlichen und den religiös - weltanschaulichen Wertvorstellungen abhängig sind.“ Seinem Konzept der positiven Psychotherapie liege die Auffassung zugrunde, dass jeder Mensch zwei Grundfähigkeiten besitze, „die Erkenntnisfähigkeit und die Liebesfähigkeit“. Und der Neurologe und Psychiater iranischer Herkunft stellt dazu fest: „Beide gehören zum Wesen eines jeden Menschen und werden abhängig von den Bedingungen seines Körpers (biologische Faktoren), seiner Umwelt (soziale Dimension) und dem Zeitgeist (weltanschauliche Dimension) entwickelt. Unverwechselbare Muster von Wesenszügen und Verhaltensweisen prägen je nach Differenzierung dieser Grundfähigkeiten die jeweilige Persönlichkeit. Aus diesen beiden Grundfähigkeiten entfalten sich im Laufe der Entwicklung alle anderen Fähigkeiten.“ Die Liebesfähigkeit sei der Bereich der Emotionalität, der Gefühle und Triebe. Als Ausdruck der zwischenmenschlichen Beziehungen umfasse er die Fähigkeit zu lieben und geliebt zu werden. „Mit Hilfe der Erkenntnisfähigkeit strukturieren wir unsere Erlebnisse“, bemerkt Peseschkin weiter, „wir stellen Fragen, suchen Antworten und sind in der Lage zu lernen und Erfahrungen weiter zu geben. Während die Religionen den Anspruch erheben, Sinn zu geben (Sinngebung), und auch Verbindlichkeiten dafür fordern, kommt der Wissenschaft in ihrer weitesten Bedeutung die Aufgabe zu, diesen Sinn zu finden (Sinnfindung).“ Aus der Liebesfähigkeit entwickelten sich die „primären Fähigkeiten“ und aus der Erkenntnisfähigkeit die „sekundären Fähigkeiten“. Die primären und die sekundären Fähigkeiten bezeichne man als die „Aktualfähigkeiten“.
Bertold Brecht beantwortete die Frage, wo denn die Menschlichkeit liege in einer Zeit, da es noch keine soziale Marktwirtschaft gab, auf seine Art: „Auf die Erde voller kaltem Wind kamt ihr alle als ein nacktes Kind. Frierend lagt ihr ohne alle Hab als ein Weib euch eine Windel gab. Keiner schrieb euch, ihr wart nicht begehrt und man holte euch nicht im Gefährt. Hier auf Erden ward ihr unbekannt als ein Mann euch einst nahm an die Hand. Von der Erde voller kaltem Wind geht ihr all bedeckt mit Schorf und Grind. Fast ein jeder hat die Welt geliebt wenn man ihm zwei Hände Erde gibt."






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